Seelgraben mit Zundeltor und abschliessenden Seelturm

Idyllischer Seelengraben mit abschließendem Seelturm als Bestandteil der alten Ulmer Stadtmauer

Den idyllischen Seelengraben mit abschließendem Seelturm zeigt das Augustbild und demonstriert damit wieder einmal, dass die kleinen „Grabenhäuschen“ links im Bild keineswegs in einem, sondern ulmtypisch auf einem Graben stehen – nämlich oberhalb des einstigen Stadtgrabens links hinter ihnen, der heutigen unteren Heimstraße. 

Der letzte erhaltene mittelalterliche Wehrturm der nördlichen Stadtbefestigung bildet als „Seelturm“ den Abschluss des Festungswalles. Er zeichnet sich, oberhalb des erst 1897 in seiner heutigen Form durch die Stadtmauer gebrochenen „Zundeltores“ (im Bild nicht sichtbar, benannt wohl nach der einstigen Zündholzfabrik Kuhn nebenan) frei stehend, durch seinen erhaltenen, mit Zwischengeschoss als abgetreppte Turmpyramide gestalteten spätgotischen Dachstuhl aus.
Ursprünglich besaß der Seelturm zur Stadtseite hin einen großen offenen Bogen, dessen zugemauerte Ziegellagen noch heute erkennbar sind; nur die Seitenwände des Turmes und seine Feindseite bestanden aus dicken Mauerschalen. Ein solcher, typisch mittelalterlicher „Schalenturm“ verhinderte durch die Öffnung zur Stadt ein Festsetzen der Feinde im Turm, konnte man diese doch durch die Bogenöffnung unter Beschuss nehmen. Ab 1610 errichtete die Reichsstadt auf der zum Geschützwall umgebauten alten Doppelstadtmauer „Losamenter“ Unterkünfte für das erste stehende Heer Ulmer Stadtsoldaten, den „Garnisönern“. Bis 1632 entstanden so auf der nördlichen und westlichen Stadtbefestigung insgesamt 198 Wohnhäuschen, welche 1805 in der bayerischen Zeit Ulms zum Vorzugspreis von 200 Gulden meist an ihre Bewohner, die ehemaligen Stadtsoldaten, verkauft wurden – samt verbrieftem Erbbaurecht und Gärtlein vor dem Haus.Doch nicht nach den dadurch erfreuten „Seelen“ seliger Garnisöner heißen Seelturm und Seelengraben so, sondern wegen des alten reichsstädtischen Sonderkrankenhauses gegenüber des Turmes hinter den Bäumen rechts, von dem der rückwärtige Teil noch vorhanden ist und als Galerie genutzt wird.

Hier richtete die Stadt um 1400 das „Seel- oder Blatternhaus am Gries“ ein, welches zur Aufnahme der an der „Franzosenkrankheit“ (Syphilis) Erkrankten diente. Reiche Stiftungen Ulmer Bürger finanzierten den laufenden Krankenhausbetrieb, zu dem Therapie wie Resozialisierung der Gesundeten gehörte. Und genau nach den Stiftern ist eine solche Einrichtung „Seelhaus“ benannt; der mittelalterliche Glaube an gute Werke betrachtete eine Spende als „Heilmittel für die Seele“ des Stifters, die -je nach Höhe des abgeführten Betrages- eine gewisse Zeitdauer vom Fegefeuer über die zeitlichen (nicht aber die ewigen) Strafen befreit wurde.Auch ohne solch mittelalterliche Vorstellungen kann man bei einem Spaziergang über den Seelengraben mit seiner dörflichen Idylle immer noch die Seele baumeln lassen…

Text: Uwe Heinloth