Ansicht Ulm mit Münster, Metzgerturm und Stadtmauer um Winterfrost

Ansicht Ulm mit Münster, Metzgerturm und Stadtmauer um Winterfrost

Im spätwinterlichen Gewand präsentiert das Kalenderbild Februar die Donauansicht der Stadt mit Münstertürmen und Rathausgiebeln, die den Metzgerturm hinter der Donaustadtmauereinrahmen; symbolisiert ist so die einstige Reichsstadt mit ihrer Pfarrkirche, mit ihrer politischen Mitte und mit ihrer Befestigung: „Stadtluft macht frei“!

1480 bauten die Ulmer hier ihre neue Stadtmauer, damals noch mitten im „reißenden Wasser“ der Handelsstraße Donau; die neue Mauer verkürzte die Verteidigungslinie und ließ die alte Vorgängerbefestigung in die zweite Reihe zurücktreten, womit an dieser Häuser errichtet werden konnten.

Der Wehrturm aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, älter als Münster und Rathaus, geriet so ebenfalls ins Hintertreffen, blieb aber wegen seines spitzbogigen Tores mit den heute noch gut erhaltenen Fallgitterführungssteinen bestehen. Bot er doch Zugang zu dem ihm einst zu Füßen liegenden alten Ulmer Schlachthaus, von dem nur noch ein kleiner Rest im Zwinger vor dem amrechten Bildrand sichtbaren Gebäude des ehemaligen Stadtbades, heute Musikschule der Stadt, erhalten blieb. Weil der Turm aber nie ein Stadttor bildete, konnte er mit seinen Schießscharten zur Verteidigung weiter genutzt werden; nur floss seit dem Bau der neuen Stadtmauer nicht mehr die Donau direkt an ihm vorbei, sondern die vor ihm neu angelegte „Metzgerblau“, die nun das Geschäft der Schlachtabfallbeseitigung zu übernehmen hatte. Bei einer Grundfläche von etwa sieben auf sieben Meter wirkt der 36 Meter Höhe erreichende Metzgerturm grazil; seine gleichzeitige Mauerdicke von 1,7 Meter ermöglicht allerdings heutzutage keine sinnvolle Nutzung solch beengter Innenräume. Diese Leere gleicht der Turm aber mit zwei Besonderheiten aus.

Auf dem Bild gut sichtbar ist sein Schmuckdach, bestehend aus insgesamt 5750 Dachziegeln, von denen 1480 bunt glasiert erhalten blieben; bei der letzten Dachsanierung 1999/2000 wurden davon wiederum 500 für 200.000 Mark kopiert und ergänzend aufs Dach gelegt. Seither leuchtet der Turm wieder in alter Frische, zeigt stolz sogar die ergänzten Dachgratziegel mit ihren„Kriechblumen“ (oder Krabben). Damit sieht der Metzgerturm fast so aus, wie ihn die Schedelsche Weltchronik im Jahr 1493 zeigt.

Bis auf seine inzwischen eingetretene „Neigung“ von 2,05 Metern Überhang nach links hinten, sie ist auf dem Bild allerdings kaum zu erkennen. Sie soll entstanden sein, weil der Turm zur Donau hin auf jener erwähnten Vorgängermauer aufsitzt, die stadtseitigen Turmfundamente aber, im allzu weichen einstigen Donauufergrund früher durch Hölzer gestützt, geringere Tragfähigkeit vorfanden. In Ulm glaubt dies kein Mensch; man vertraut eher der Sage von den feisten Metzgern, die enorm schlechte Würste produziert, aber teuer verkauft haben sollen. Im Turm eingesperrt,fielen sie vor Schreck über das ihnen dort verkündete Urteil in eine Ecke um. Durch diese Gewichtsverlagerung soll das schlanke Bauwerk zu Ulms heutigem „Schiefen Turm“ geworden sein,weswegen er regelmäßig auf Standfestigkeit überprüft wird. Und diese zum Glück für die Spaziergänger auch nachweisen kann…

Text: Uwe Heinloth