Unterer Ausee in der Ulmer Friedrichsau

Im Wasser des Unteren Ausees spiegelt sich die 24 Meter hohe Fassade des nach dem See benannten Hotels „Lago“ mit ihren sechs Obergeschossen. Rechts dahinter liegen die Messehallen und daneben das schon vor dem Hotel bestehende, heute integrierte Restaurant „Lago“. Die „untere“ Au bis zum „Hohen Steg“ wurde als Erweiterung mit der neuen Donauhalle und dem durch Kiesabbau entstandenen unteren See im Mai 1956 dem Erholungspark Friedrichsau zugeschlagen.

Nicht nur städtebaulich, sondern ganz besonders wegen seines Innendesigns bildet das am 18. Januar 2010 eröffnete Nichtraucher-Vier-Sterne-Hotel mit 120 Betten in 60 Zimmern einen Höhepunkt in der Au und dem Ulmer Messegelände. Verkleidet mit gerillten Wetterschutzplatten in Holzoptik, bietet die Fassade Bezugspunkte zum alten Baumbestand der Friedrichsau, welcher wiederum von innen durch die bodentiefen Fenster in Transparenz bestaunt werden kann. Im Inneren des Kubus werden die unteren fünf Etagen mit je zwölf Zimmern, sowie das oberste sechste Geschoss als Wellnessbereich und Hotelsuiten, von ausgeklügelter ökologischer Gebäudetechnik beherrscht, wie zum Beispiel thermischer Nutzung des in der Au anstehenden Grundwassers samt dessen Rückführung in den natürlichen Kreislauf.
Das Besondere aber ist die vom Bauherren entwickelte „Ulmer Seele“ des Hotels. Sie drückt sich als gestalterisches Prinzip schon von außen durch Etagenschichtung und Flachdach, im Inneren baustrukturell durch analog-rationale Anlage der einzelnen Obergeschosse aus. Deutlich verweist die Hotelarchitektur auf das Erbe der ehemaligen, 1968 geschlossenen Ulmer Designerschule am Oberen Kuhberg – der hfg, Hochschule für Gestaltung.
Die vier unteren Hotelebenen sind in ihrem Design den zu den olympischen Sommerspielen 1972 in München entwickelten „Regenbogenfarben“ Otl Aichers verpflichtet; dessen Sohn wirkte an der Hotelausgestaltung mit. Der Flur einer jeden Etage ist in jeweils einer dieser Farben gehalten, die sich dann auch motivisch in den Hotelzimmern findet. Großflächige Wandtapeten im Aufzugsbereich erzählen bildhaft von der Geschichte der hfg; bis hin zu den Türklinken und den typischen „Ulmer Hockern“ sind in den Hotelräumen Produkte ehemaliger hfg-Designer wie Bill, Gugelot, Zeischegg oder eben Aicher verwendet worden. Das fünfte Obergeschoss geriet, in Grau-Weiß-Kontrast gehalten, schon beinahe zu einem Museum; im Flur ausgestellte Gegenstände der ehemaligen Fachbereiche der hfg, zum Teil von damaligen Dozenten oder Studenten geschenkt, evozieren das anregende Klima der 50er und 60er Jahre in Schule und Stadt, unterstreichen die heute noch fast alltägliche Bedeutung der hfg in designten Gebrauchsgegenständen, ein Aha-Erlebnis für die überraschten Hotelgäste.

Mit ca. sechs Millionen Euro entstand so am Unteren Ausee aus zunächst gar nicht eingeplantem Idealismus des Bauherrn im bezwingenden Design einer Ulmer Innenarchitektin ein erlebbares Monument derjenigen Zeit, als durch die hfg Ulm weltweit zu den führenden Designerstätten gehörte.

 

Text: Uwe Heinloth